Gesammelte Briefe

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Lel

Gesammelte Briefe

Beitrag Mi 25. Nov 2009, 20:39

Tausende Jahre nach dem heutigen Tage, ruhend in einer kostbaren Schatulle, verewigt im magischen Glas eines geschliffenen Kristalles, aufbewahrt in Rollen aus feinstem Leder findet ihr die Worte und Gedanken aus alter Zeit, die da künden vom Schicksal und Leben zweier Geschwister von Elfenblute...

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Mi 25. Nov 2009, 20:40

Ein lieblicher Duft, kostbar und schwer lockt uns hinein in eine geräumige, runde Kammer. Ihre hohen Wände sind durchbrochen von großen, kostbaren Glasfenstern. Gerade schickt die Sonne das letzte Licht des Frühlingstages durch die buntgetönten Scheiben. Als ein Hauch von Frühlingswind zwei Vorhänge teilt, gibt uns eine geöffnete Pforte prachtvollen Ausblick zu einer Terasse, hoch über den Dächern Silbermonds. Ein pergamentübersäter Schreibtisch, voll mit achtlos und faul liegenden Federkielen, Münzen und einer kleinen Waage prangt unter einem der Fenster. Kunstvoll gebogene Bücherregale schmiegen sich an die weißen Mauern. Verteilt im Raume stehen Kleiderständer, angetan mit exquisiten Roben und herausgeputzt mit Geschmeide. Als wären sie kopflose Tänzer, unterwegs zu einem Ball der Puppen. Fast erwartet wir, dass sie beginnen, sich zu drehen. Zwischen ihnen, auf schlanken, mannhohen Säulen überall in der runden Kammer ruht das ein oder andere kuriose Ding: Da ein brillantbesetzter Zauberstab, dort eine schimmernde Kristallkugel, in jener Ecke eine klare Phiole voll blutrotem Safte. Beinahe wie ein schlagendes Herz sieht das Gefäß aus, sanft pulsierend und schimmernd, als wäre sie nass...aber vielleicht ist es nur das flackernde Licht des schwindenden Tages, welches unser Auge betrügt.

Umgeben von all diesen prachtvollen Dingen thront in der Mitte des Turmgemaches ein großes Bett, angetan mit den feinsten Stoffen in den herrlichsten Rot- und Goldtönen, umschlossen von durchsichtigen Vorhängen. Lang ausgestreckt räkelt sich zwischen den seidenen Laken eine zierliche Gestalt. Eine Elfe liegt dort, ein verschwommener Anblick, wie frische Milch, die man in ein Meer aus Blut gegossen hat. Blutrotes Gewand gibt mehr ihrer ranken Glieder preis, als es verhüllt, dennoch können wir den Blick nicht abwenden. Ihre Augen sind halb geschlossen, sanft bewegen sich ihre Lider wie zitternde Mottenflügel in der Dämmerung. Goldenes Haar umfließt die klaren, feinen Züge voll tiefer Schönheit, perlt über nackte Schultern bis hinab zu den Ellbögen. Eine der spinnwebfeinen Strähnen schlingt sich um das zierliche Handgelenk, die schlanken Finger halten locker ein Pergament...

Geliebte Schwester,

nun ist es einen Wochenlauf her, seit ich zum ersten Male mein Knie vor dem Hochlord gebeugt habe und Tag für Tag erscheint es mir würdiger, seinem Ziele zu folgen. So viel ist geschehen, ich will gar nicht alles aufzählen, denn ich weiß auch um die Ungeduld, welche in deiner Brust bebt, seit wir einst Kinder waren. Also behellige ich dich nicht lange und will dir nur kurze Worte schicken, die unser Gespräch vor zehn Tagen in das rechte Licht rücken. Entgegen deinen Zweifeln hat sich die Gemeinschaft dieses Hochlordes weder als eine Bande von Betrügern entpuppt, noch sind sie fahrlässige Irre, deren Hochmut unseren Untergang besiegeln werden. Im Gegenteil. Allerschönste Schwester, du alleine weißt um das unstillbare Verlangen, welches schon so lange in mir brodelte. Ich weiß nicht, haben die Lehren unseres Vaters endgültig in mir Überhand genommen oder aber ist es das angeborene Verlangen eines jeden Blutkindes, nach mehr zu streben, als es ist? Ich für meinen Teil, der mich so lange gegen Vaters Lektionen gesträubt habe und lieber den schlichten Weg unserer Mutter zu gehen trachtete, ich habe nun endlich für mich erkannt, dass ich zu Höherem bestimmt bin, das wir zu Hohem bestimmt sind - nicht nur zu der fast geschwundenen Größe unserer uralten Vergangenheit, nein - zu einer neuen, zukünftigen Blüte und Herrschaft unseres geliebten Blutes über all die Lande der Welt. Und, geliebte Schwester, ich mag es beinahe schwören, der Weg des Hochlords und der Seinen ist für mich genau der Pfad, den ich dazu beschreiten muss, um das unerkannte Verlangen meines Blutes, welches mich so lange quälte, endlich zu seiner Bestimmung zu führen. Ich weiß, du weißt schon sehr lange um all diese Dinge und ich wollte nicht hören. Zu sehr klang all dies nach unserem Vater und du weißt, wie sehr ich so lange Zeit danach trachtete, alles abzuwerfen und in mir zu töten, was ihn betrifft. Aber man kann die Natur des Blutes nicht abstreifen und so - geliebte Schwester, ich sage es mit schamgebeugtem Haupte - hatte er letztendlich doch recht. Du hast gut daran getan, seine Worte schon so früh für dich zur Wahrheit zu machen, welche ich nun erst mühsam vom Hochlord erlernen muss. Bitte vergib mir all die Zwiste und das lange Schweigen, welches wir beide hinter uns haben. Ich habe nun erkannt, was es heißt, ein wahrhaftiges Kind des hohen Blutes zu sein und werde nicht ruhen, mein Erbe zu tragen. Ich möchte dich stolz machen, meine wunderschöne Schwester, wie ich es damals tat, als wir noch Kinder und ich im Spiele dein mutiger Ritter war.

Aber genug der Worte, ich weiß, in dir ist vor einigen Zeilen bereits wieder das Feuer der Ungeduld mit den einfältigen Worten deines ungelenken Bruders entfacht und du sehnst dich nach nichts mehr als einem Ende des Briefes, damit du dich wieder deinen Geschäften widmen kannst. Darum berichte ich dir beim nächsten Male mehr über die Gemeinschaft des Hochlordes. Vergiss nicht, dass all dies unter uns bleiben wird, bis die rechte Zeit gekommen ist. Bewahre deinen Stolz, deine Schönheit und einen Gedanken an mich in deinem Herzen, denn die finsteren Zeiten werden vorübergehen. Ich weiß es nun gewiss.

In getreuer Liebe,
F.


Als der letzte Strahl der Sonne rotgolden durch das Fenster verglüht und den Schwingen der Nacht weicht, entgleitet das Pergament den zarten Fingern der Elfe und sie selbst taucht hinüber in den tiefen, traumlosen Schlaf derer, die um ihren sicher behüteten Platz in dieser Welt wissen.
Zuletzt geändert von Lel am Fr 11. Dez 2009, 21:26, insgesamt 1-mal geändert.

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Mi 25. Nov 2009, 20:42

„....wie meine Späher berichten, ist eine Offensive aus Aman durchaus zu erwarten, mein Lord. Ich empfehle dringlich einen Einsatzbefehl zum vorsorglichen Schlag. So schnell, wie diese Biester sich vermehren, wird es notwendig sein, großflächig die Weibchen und Welpen abzuschlachten.“ Mit grimmer Miene endet Halduron seinen Bericht und blickte den Lordregenten abwartend an. Dessen kantiges Antlitz verharrt einige Wimpernschläge in ernster Überlegung, dann nickt er, ein einziges Mal nur. Die Strafexpedition ist also beschlossen und General Wolkenglanz salutiert noch zackig, bevor er sich mit wehendem Umhang abwendet und aus dem Thronsaal marschiert. An der Empore angelangt, kniet ein Palastbote vor ihm nieder, eine Schriftrolle mit beiden Händen anhebend. „Mein Lord General, eine Nachricht von Hauptmann Helios.“. In beiläufiger Knappheit nimmt der Waldläufergeneral die Rolle an sich, bricht das Siegel und liest die ersten Worte bereits während er den Weg über die wachengesäumte Terasse des Sonnenzornturmes entlangeilt....

Mein Lord General,

ich habe gute Neuigkeiten. Nach den mageren Ergebnissen der letzten Monate habe ich nun endlich wieder einen vielversprechenden Kandidaten unter meinen Waldläufern gefunden, den ich in die Ränge der Weltenwanderer empfehlen möchte. Sein Name ist Falanthril Sonnenpfeil. Ihr erinnert Euch vielleicht an seine Mutter, Anvireen, die an Sylvanas Seite während der Invasion fiel. Ich kann nur sagen, dass ihre herausragenden Fähigkeiten in ihrem Sohne bewahrt wurden. Zwar ist er längst keine solch fröhliche und bezaubernde Natur wie sie es war, aber das mag am Einfluss des Vaters liegen. Ihr wisst, welche Dinge man sich von Magister Terathil Sonnenpfeil erzählt und wir können der Sonne nur danken und weiterhin hoffen, dass seine Kinder so wenig wie möglich nach ihm schlagen. Aber ich schweife ab.

Der Waldläufer Sonnenpfeil verrichtet seit Jahrzehnten vorbildlichen Dienst in meiner Einheit. Er ist gewandt mit dem Schwerte und hervorragend mit dem Bogen. Zudem beherrscht er die gängigen Zauber zum Umgang mit Wald und Wildnis. Ich habe ihn lange beobachtet. Er ist ein genauer Streiter und wachsamer Verteidiger. Die Kampftrupps, denen er angehört, kehren stets siegreich und ohne Verluste zurück.Er ist ein stiller Charakter, bedacht und überlegt – dennoch schien es ihm gänzlich an Ehrgeiz und ...nennen wir es „Biss“ zu mangeln. Bis vor Kurzem. Ich kann es schwer beschreiben, aber etwas ist mit ihm vorgegangen. Er scheint heute mehr Schärfe zu besitzen, er tritt zielstrebig auf und so, wie seine Züge sich nun konturenreicher gestalten, so tut es auch sein ganzes Wesen. Es ist, als wäre aus einem glatten Erzbrocken eine schimmernde Pfeilspitze geworden, die das goldene Sonnenfeuer nun vielfach zurückwirft. Was – oder wer? - auch immer ihn geformt haben mag, ich persönlich bin davon überzeugt, dass sein Charakter sich nun seinen Fähigkeiten angepasst hat und er hervorragendes Material für die Weltenwanderer darstellt. Mit Eurer Erlaubnis überstelle ich ihn Euch schon mit dem nächsten Sonnenaufgang.

Es wird mich schmerzen, ihn nicht mehr in meiner Einheit zu wissen. Es mangelt heutzutage an disziplinierten Leuten, in die man vollstes Vertrauen setzen kann. Aber ich glaube, dass er wahrlich zu Höherem bestimmt ist und übergebe ihn mit bestem Gewissen in Eure Hände. Möge er ein aufrechter Weltenwanderer sein, der unserem Volke zur Ehre gereicht. Ich erwarte Eure Befehle.

Hauptmann Helios.


Wie der Rumpf einer stattlichen Galeere das Wasser durchpflügt, so teilt sich auch die Menge vor den zackigen Schritten des Waldläufergenerals, der lesend und ohne aufzublicken sicheren Schrittes über den Brunnenplatz eilt. Als er endet, streift er die Botschaft glatt und faltet sie, um das Pergament in seiner Brustplatte zu verwahren.

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Mi 25. Nov 2009, 20:43

Das Turmzimmer hat sich verändert. Das vorherrschende Blutrot ist verschwunden und durch eine Vielzahl von Farben der See ersetzt. Sogar die Kerzenflammen spenden hellblaues Licht, tauchen die Kammer in das unwirkliche Zwielicht eines Palastes aus längst vergangenen Zeiten, versunken seit Äonen in den Tiefen des Meeres. Die durchsichtigen Seidenbahnen, welche die große Bettstaat vom Rest der Räumlichkeiten trennen, wogen sanft wie Wasserpflanzen, verzerren die Vorgänge auf den meergrünen Laken dahinter für das Auge des Betrachters. Nur schemenhaft lässt sich so ein in Liebesspiel versunkenes Paar durch das lichtblaue Schimmern der dünnen Vorhänge ausmachen. Wie der makellose Leib des liegenden Mannes sich windet unter der kurvigen, geflügelten Frauengestalt, die auf ihm thront. Wie sein blasser Brustkorb sich schnell hebt und senkt, als das gehörnte Weib sich über ihn beugt. Wie des Jünglings rotgelocktes Haupt sich hin und herwirft, als ihre bockshufigen Beine sich um ihn schlingen und die Versucherin ihr verheerendes Werk beginnt...

All dies scheint die zierliche Elfe am Frisiertisch daneben nicht oder nur nebenbei wahrzunehmen. Der große, runde Spiegel wirft tanzende Lichter in ihre ätherischen Züge. Auch ihr langes Goldhaar scheint sich wie unter den Wogen zu bewegen, schmeichelt sanft um die weißen, nackten Schultern und den durchscheinenden Oberkörper, spielt mit ihren Brüsten und fließt an ihren Schenkeln hinab zu Boden. Wie ein Wesen aus einer Unterwasserwelt sitzt die Elfe da, mit einer Hand die Silberbürste durch ihr Haar führend, mit der anderen ein Pergament haltend. Vertieft und melancholisch liest sie, ungestört von der Melodie aus Lust und Schmerz, die gedämpft aus dem Himmelbett hinter ihr dringt...

Geliebte Schwester,

so viel ist wieder geschehen. Ich wünschte, ich könnte dir selbst davon berichten. Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, mein Herz sehnt sich nach dir. Nein, leg den Brief nicht weg, ich mache dir keine Vorwürfe. Ich weiß, du hast viel zu tun und kümmerst dich um das Familienvermögen, von dem auch ich profitiere. Habe ich dir schon gesagt, wie überaus stolz ich war, zu erfahren, dass du es in den beiden kurzen Jahren, in denen du es verwaltest, verdoppeln konntest? Ich wusste immer, das dein Verstand den meinen um ein Vielfaches übertrifft und dennoch bin ich über die Maßen stolz auf dich und den Namen, den du dir in der Händlerschaft gemacht hast. Also will ich nicht klagen, dass wir nur selten zueinanderfinden und weiter unsere Briefe füreinander sprechen lassen. Ich habe mich über deinen letzten sehr gefreut, auch wenn ich mit der Eifersucht des großen Bruders lesen musste, dass du nach dem tragischen Tod Vanemalis' dich bereits einer neuen Liebe zugewandt hast. Ich hörte, es wäre ein blasser, rothaariger Jüngling, der dich von deiner Trauer ablenken darf? Ich hoffe, er ist gut zu dir. Ist er es nicht, so sag nur ein Wort und ich überantworte ihn dem Zorn meiner Klingen.

Ich selbst muss deine Frage abermals mit einem klaren „Nein“ beantworten. Nein, es gibt keine Frau, der mein Herz gehört. Nein, ich mag bis auf die geschickten Hände der Badehaussklavinnen auch keine an meinen Körper lassen. Ich habe zu viel zu tun, reise zu weit und weiß auch allgemein keine, die mich genug erfreuen könnte, als dass ich sie zur Meinen machen wollte. So rein und klar wie ein Sonnenstrahl soll sie sein, so heiß brennend und ebenso licht in ihren Gedanken muss sie sein. Solche Frauen findet man nicht und die einzige, die dieser Beschreibung nahekommt, geliebte Alethiriel, bist du, zärtliche Schwester. Aber ich gebe zu, ich habe in den letzten Tagen ein wenig mein Herz verloren. Doch nicht an eine Frau aus Fleisch und Blut, nein, an einen Ort.

Wie ich dir geschrieben habe (ich hoffe, du hast über meine kindische Freude über diese Ehre nicht gelacht! Wenn doch, werde ich dich bei unserem nächsten Treffen niederbalgen müssen, wie ich es damals tat, als wir Kinder waren!), wurde ich am selben Tag, an dem die Gemeinschaft des Hochlordes mich als einer der ihren für würdig befand, noch vom Waldläufergeneral in die Reihen der Weltenwanderer berufen. Was für eine Ehre – was für ein Schock! Niemals hätte ich damit gerechnet, zu den auserwählten Dreihundert zu gehören. Und erfreut war ich auch zu erfahren, dass sie sich nicht mehr zufriedengeben mit dem Schutz der Grenzen, sondern die alten Traditionen des Weltenwanderns wieder aufnehmen. Meine erste Reise im Gewand der Dreihundert führte mich auf den alten Kontinent, tief in dessen Herz: In die satten Urwälder Feralas'. Herrliche Schwester, abgesehen von deiner Pracht habe ich noch nie so etwas Schönes gesehen. Gewiss, die Wälder Quel'Thalas' sind unbeschreiblich in ihrem Reize und bisher immer meine geliebte Heimat gewesen. Doch Feralas unterscheidet sich von ihnen wie die Hafenhure von der Königin. Ich schwöre dir, ich werde dich eines Tages mitnehmen, du musst es selbst sehen. Üppiges Grün, beinahe unberührt von Zeit oder lebender Hand. Überall ragen die uralten Steine der Ruinen unseres Volkes aus ihrem moosweichen Bett. Und sogar die Luft dort schmeckt, als wäre ich Jahrtausende zurückgereist in die jugendliche Frische unserer erblühten Welt. Sogar den verfallenen Gebäuden sieht man noch an, wie herrlich die Stadt sich einst in den blühenden Wald geschmiegt hat. Ach, wie prachtvoll wird es werden, wenn all dies wieder aufgebaut sein wird und wir unseren Platz darin wieder einnehmen können. Ich verspreche dir, wenn es einst soweit sein wird, bauen wir uns dort einen herrlichen Palast und auch ich werde mir Weib und Kinder zulegen, wie du es schon so lange von mir im Scherze verlangst.

Aber bis dahin hängt mein Herz an meinen neuen Aufgaben und an dir, schönste Schwester. Bewahre deinen Stolz, deine Schönheit und einen Gedanken an mich in deiner Brust. Gib mir Bescheid, wenn dein rothaariger Jüngling dir zur Last fällt.

In getreuer Liebe,
F.


Ein liebevolles Lächeln umspielt die sattgrün geschminkten Lippen, als die Elfe Pergament und Silberbürste weglegt. Geschmeidig erhebt sie sich, tritt mit wiegenden Bewegungen an die Bettstaat. Ihre schlanken Finger teilen die Vorhänge. Mit einem lüsternen Grinsen blickt die fleißige Sukkubus aus dem Schoß des zum Zerreißen angespannten Jünglings zu der Elfe auf. „Er ist bereit für dich, Herrin.“ haucht die kehlige Stimme und als die Elfe in die meergrünen Laken gleitet, wie ein Unterwasserwesen in die Wogen taucht, schließen sich die Seidenbahnen und bergen die restlichen Stunden der Nacht in schimmernde Schemen.

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Sa 28. Nov 2009, 15:17

"Noch kein Elf hat es in Jahrhunderten zurückgewiesen. Seid Ihr Euch im Klaren darüber, was Ihr tut, Sonnenpfeil?"
Die zackige Sprechstimme des Waldläufergenerals war nicht völlig frei von ärgerlichem Unterton. Innerlich war ihm beinahe nach einem hysterischen Lachen zumute. Da bot man einem simplen Waldläufer, einem kleinen Licht innerhalb der Armeen eine Beförderung in einen der begehrstesten und verantwortungsvollsten Ränge der Armee...und der Narr schlug sie aus. Einfach so. Wolkenglanz' Blick glitt über den aufrecht stehenden Elfen mit der ruhigen, ernsthaften Miene. "Ich weiß nicht, ob Ihr verrückt seid oder Euch gänzlich andere Dinge antreiben. Weltenwanderer werden nur die wenigsten - und eine zweite Gelegenheit gibt es für keinen." Das respektvolle Nicken des jungen Blutelfen vor ihm nahm der General mit einem unwirschen Kopfschütteln zur Kenntnis. "Hauptmann Helios wird enttäuscht sein. Er hat sich sehr für Euch verwendet. Aber lassen wir das. Abtreten, Sonnenpfeil. Es gibt nichts mehr zu besprechen, euer Dienst in den Streitkräften ist hiermit beendet. Ich nehme Euer Gesuch an. Möge die Sonne Euch leiten." Wolkenglanz streckte einem Implus folgend die Hand aus und mit Neugierde betrachtete er den Funken Überraschung, der im ruhigen Blick des ihm gegenüberstehenden Elfen aufblitzte. Der ehemalige Waldläufer zupfte seinen Handschuh ab, trat mit ausgestrecktem Arm an den General und nahm die gebotene Hand mit festem Griff und einem dankenden Nicken. "Beweist Euch dem Hochlord, Sonnenpfeil," sagte der General mit leiser und erwärmter Stimme, "jeden Tag, wenn nötig. Und vergesst uns nicht, wenn es zu Krieg und Kampf kommt." Die Überraschung in den Augen des jungen Elfen vertiefte sich um ein weiteres Mal, er neigte das Haupt, wie in ruhiger Anerkennung eines Befehles. Noch einmal drückte er die Hand des Generals, dann salutierte er ein letztes Mal und ging mit dem üblich gemessenen Schritt in Richtung der großen Pforte. Das einfallende Sonnenlicht ließ sein Goldhaar gleißen und Wolkenglanz musste für einen Moment blinzeln. Kopfschüttelnd blickte er dem ehemaligen Waldläufer und verhinderten Weltenwanderer nach, wie dieser seine Schritte auf die Ehrenterasse setzte, eine Schriftrolle aus der Umhängetasche nahm und im strahlenden Sonnenschein zu lesen begann...


Geliebter Dummkopf,

ach, du bist auch wirklich ein ganz und gar unseliger Spielverderber! Deine Vorwürfe sind gänzlich ungerecht, ich habe dir keinen Streich spielen wollen - alleine meine Liebe zu dir hat mich zu dieser Empfehlung getrieben. Natürlich habe ich dich mit bestimmten Hintergedanken zu Madame Katlyn geschickt! Und warum auch nicht - sie ist ganz und gar berückend schön und weltgewand! Zudem besitzt sie über ein besonderes Talent, welches gerade dir sehr zugute kommen mag: Sie ist sehr freizügig in ihrer Bewunderung und geschickt darin, einen verliebten Narren aus einem ernsten Manne zu zaubern, alleine mit der Berührung ihrer Hände. Ich hoffte eigentlich sehr, du würdest das Maßnehmen für deine neuen Kleider mehr als genießen und vielleicht ein kleines, intimes Stündchen oder zwei mit der Madame verbringen. Ach, es ist bei dir wohl wirklich nicht nur der Kopf, sondern auch der ganze Elf und sein Herz aus starrem, hohlem Holze. Sei mir wieder gut, ich werde nicht mehr versuchen, dich zu verkuppeln. Zumindest für eine Weile nicht. Aber wisse, es wird mir schwerfallen, denn ich kann ganz und gar nicht verstehen, warum du dich den Freuden der Lüste so verweigerst! Du weißt, ich habe meine Augen und Ohren überall. Ich höre von diesem Skandale, jenem Gerüchte - aber von meinem schönen und begehrenswerten Bruder höre ich nichts! Keine geseufzten Mädchengeständnisse, kein Getuschel über Ausschweifungen - ja, nichteinmal gedämpftes Raunen über eine Vorliebe zu Knaben! Ich frage mich, ob du wahrhaft ganz gesund bist. Ja, ich weiß - du willst dir kein Weib nehmen, bis du nicht eine wie mich findest. Aber was zum Nether hält dich davon ab, wenigstens deinen Bedürfnissen zu ihrem Rechte zu verschaffen? Ach, lassen wir das, alleine über diesen deinen bedauernswerten Mangel an Genussucht nachzudenken bereitet mir schon Unwohlsein und das Bedürfniss, eine wahrhaft rauschende Orgie auszurichten. Nur um dich zu ärgern.

Mein Jüngling (Tarsimon ist im Übrigen sein Name - und ich weiß, dass du das weißt und dich nur weigerst, ihn anders als "Jüngling" zu nennen, du unwiderstehlicher Schuft!) hat mich auf Knien angefleht, die seine zu werden. Der dritte Antrag zur Vermählung in nur einem Jahreslauf - ich werde langsam eingebildet, fürchte ich. Ich erwäge, sein Angebot anzunehmen. Er leckt meine Hand wie ein Lämmchen und er ist von edler Geburt - seine Familie gehört zu uraltem Adel. Vater hätte das gefallen, er wollte immer in diese Kreise gelangen. Ich habe nie vergessen, wie er immer darauf bedacht war, uns den besten Familien beinahe aufzudrängen, in der Hoffnung, einer von uns und am besten beide würden ihm den Adelstitel erschlafen, den er sich zu all seiner pompösen Magistertracht so sehnlich noch gewunschen hat. Nein, alleine ihm zufleiß, und sei Vater auch noch so tot, muss ich Tarsimons Antrag ablehnen. Er wird sterben vor Enttäuschung und zerbrochenem Herzen, das weiß ich gewiss. Schade, irgendwie. Er war sanft und feurig und tat gänzlich alles, so, wie es mir gefiel.

Aber nun endlich zu deiner Bitte. Ich bin doch höchst erstaunt, geliebtes Schäfchen. Was hast du denn auf einmal mit den Kreaturen des Nethers zu schaffen? Gerade du, der zum Ersten nur mangelhaft begabt ist und zum Zweiten sich immer verwehrte gegen die einfache Dosis Magie, die uns der Nether schenkte als der Brunnen versiegte. Gerade du willst nun mehr erfahren über die dunklen Schatten und Schemen voller herrlicher Kraft, die im wirbelnden Paradiese des Nethers wohnen? Ich meine, natürlich ist mein Wissen das Deine, auch wenn ich zweifle, dass du auch nur Bruchteile verstehen wirst. Trotzdem, komm nur zu mir, wann immer es dir gefällt. Ich werde dich lehren und dir zeigen, welch köstliche Verlockungen im Wirbeln der Dämonenwelt verborgen liegen. Ja, ich bin wahrhaft eigentlich sehr froh darüber, dass du endlich diese Schwelle übertreten magst. Stelle es dir vor, berückender Bruder - du und ich, endlich vereint im Tanze mit den versuchenden Mächten des Nethers...ach, komm, so schnell du vermagst, der Gedanke wird mir immer lieber!

In ungeduldiger Erwartung,
A.

P.S.: Das Geschmeide war ganz bezaubernd. Die blutroten Steine sehen aus wie Blutstropfen auf meiner weißen Haut. Ach, warum kann kein anderer deinen erlesenen Geschmack teilen?


Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Mi 2. Dez 2009, 13:42

Eine karge Kammer, getaucht in den Schein einer magischen Kerze. An Größe und Form gleicht das Gemach jenem prunkvollen Domizil, welches wir bereits zur Genüge kennen. Doch an Ausstattung ist es weit dahinter zurück. Nicht, dass es ärmlich wäre, es ist nur beinahe leer. Keine seidenen Stoffbahnen, keine weichen Teppiche, die den steinernen Boden umschmeicheln, kein Zierrat. Wenige Bücher nur in einem einzelnen Schrank. Ein schlichtes Bett, Rüstungen an der Wand. Ein Bogenständer, ordentlich aufgehangene Köcher. Es duftet nach wilden Kräutern, Leder und dem Wald nach einem Regenschauer. Alles in Allem die Wohnstatt einer genügsamen Person.

Jene Person sitzt an einem schlichten, unverzierten Schreibtisch. Ein hochgewachsener Elf von sehniger Gestalt. Das in einen strengen Zopf gezwungene Goldhaar schimmert im Kerzenlicht. Die Schatten des Abends, die in dieser spärlichen Kammer keine anderen Verstecke finden, huschen über das konzentrierte Antlitz mit den ruhigen, schönen Zügen, die - ebenso wie die Kammer - ihrem bereits kennengelernten Zwilling sehr gleichen. Wenn auch auf eine schärfere und kärgere Weise. Die nachdenklichen Augen ruhen auf einem Pergament, welches die langen Finger an der einen Seite festhalten. Die andere Hand führt die lange, weiße Feder soeben über den letzten Buchstaben...

Dies sind die letzten Worte des Verräters, der von meiner Hand gerichtet wurde. Sein Name sei verborgen für alle Zeiten in den Falten des Vorhangs der Zeit. Er soll nie mehr genannt werden, denn er hat sein Recht auf Eigenständigkeit mit seinem Verrate verloren. Dennoch werde ich seiner Asche den Frieden bringen, die er sich ersehnte. Denn Asche ist nichts als toter Staub, ausgebrannt vom Feuer des Sonnenzornes und ich selbst habe den aufrechten Stolz seines Sterbens bewundert, wie ein jeder Ehrenmann und Krieger es tut. Möge niemals ein Hochgeborener dem Beispiel seines Verrates folgen - im Sterben jedoch solle ein jeder von uns den Kopf so tragen, wie der Verräter es tat.

Vor nicht langer Zeit war ich blind. Nicht blind im Geiste, wie ihr alle, meine Augen waren es. Ich konnte nichts sehen. Ich saß lange und oft im Immersangwald, lauschte den Blättern, den knarrenden Bäumen, den Vögeln. Hin und wieder kamen Wanderer vorbei. Einige waren Elfen. Andere waren Orcs, Trolle, Tauren. Einmal kamen sogar Goblins vorbei. Und ich erzählte ihnen Geschichten. Ich war kein schlechter Erzähler. Einmal aber begegnete mir ein Mann. Einige hier werden ihn kennen, andere nicht. Erandor war sein Name und er erzählte mir eine Geschichte, die alles in den Schatten stellte, was ich zuvor gehört oder erzählt habe.

Einst, als die Reiche der Menschen noch in Frieden lebten und Worte wie "Verderbnis" oder "Horde" noch unbekannt oder vergessen waren, da lebte ein Narr. Nicht, dass er sich das so ausgesucht hätte. Er war einfach ein Tollpatsch - und nicht der Hellste. Die Leute lachten ihn aus, wenn sie ihn sahen und seine Arbeit verlor er regelmäßig. Da begann er zu Grübeln. UNd er dachte nacht, dachte nach dem Sinn des Daseins, seines Daseins. Er grübelte so arg, dass ihm oft davon der Kopf schmerzte, aber eine Antwort wollte sich nicht einstellen. Als er wusste, er würde nicht alleine auf die Antwort kommen, ging er los um den weisesten Mann zu finden, der im Land weilte. Er besuchte Abteien, Schlösser, Bibliotheken - und alle wiesen ihn weiter. "Den weisesten Mann suchst du? Geh zu Pijetar Rashkov, er lebt in Lordaeron, auf der Insel im See." So brach der Narr also auf, um Pijetar zu suchen, mit kaum drei Stück Kupfer im Beutel - und doch, er fand ihn. Er kam in den Silberwald an, kam zur Insel im See und klopfte an des Weisen Türe. "Was willst du denn, Narr?" fragte der Alte. "Meister! Was ist der Sinn des Lebens? Ich suche und suche und doch kann ich ihn nicht finden!" Der weise Pijetar überlegte und winkte den Narren mit sich. "Lass uns gehen. Ich werde dir den Sinn des Lebens zeigen." Und so gingen sie los. Sie kamen an einem Holzfäller vorbei. Der plagte sich ab, einen Baum zu fällen. Der Narr konnte den Blick nicht davon abwenden und so fiel er der Länge nach hin. Der Holzfäller begann lauthals zu lachen, schüttelte den Kopf und arbeitete mit neuer Frische weiter. "Siehst du denn Sinn?" fragte der Alte. "Nein!", rief der Narr, "er hat mich doch nur ausgelacht!". Der weise Pijetar grinste und sie gingen weiter. Bald kamen sie an einem Feld vorbei. Die Männer droschen Getreide mit so harten Hieben, wie sie vermochten. Sie stöhnten vor Anstrengung und der Schweiß stand auf ihren hochroten Gesichtern. "Der Holzfäller gewann durch dein Stolpern neue Frische. Komm, versuch es bei ihnen." forderte der Alte auf und unser Narr nickte, hüpfte herum und trieb seine Späße. Und die Bauern freuten sich und lachten und machten mit neuer Frische weiter. "Siehst du nun den Sinn, Narr?" fragte der Weise den Narren und dieser schüttelte den Kopf. So gingen sie weiter und kamen in eine Stadt. Die bettelkinder standen am Straßenrand und flehten um Almosen. "Bitte, bitte, große Herren, gebt uns zu Essen, wir hungern so sehr!" Der Narr schüttelte den Kopf. "Gold besitze ich keines - doch etwas Anderes habe ich im Überfluss und werde es euch geben!" Da klaubte er drei Steine auf und begann, sie geschickt durch die Luft zu jonglieren. Er nahm einen vierten und einen fünften und einen sechsten Stein und ließ sie durch die Luft sausen. Und die Kinder lachten und jubelten und Freude strahlte aus den hungrigen Augen. Und als dem Narren dann - wohl aus Absicht, denn er war ja ein Narr - alle Steine auf den Kopf purzelten, da gab es kein Halten mehr. Der ganze Marktplatz lachte und freute sich. Der Weise Pijetar trat zum Narren und fragte: "Nun...siehst du den Sinn denn jetzt endlich?" Der Narr lachte, nickte eifrig und sprach: "Ja! Ja, ich sehe ihn! Der Sinn des Lebens ist, zu geben, was man geben kann - auch, wenn man dabei selbst zurückstecken muss. Ich kann den Leuten Freude bringen und ihren Tag erleichtern - auch, wenn mir dabei Steine auf den Kopf fallen!" Da lachte der Weise, streckte dem Narr die Hand hin und half ihm auf. Gütig nickte er und sprach: "Da sieh einer an. Kluge Männer überall zerbrachen sich über dieses Rätsel den Kopf - und es brauchte nur einen Narren, um die Wahrheit zu erkennen." Da lachten sie beide, klopften sich auf die Schultern und zogen in den sonnigen Tag davon.


Sonnentag, der dreißigste Tag des elften Monats. Niedergeschrieben von Falanthril Sonnenpfeil. Möge die Sonne uns führen.


Die schlanken Finger greifen nach dem Sandfass, bestreuen das Pergament. Während die Tinte trocknet, liegt ein ernster Zug um die Lippen des Schreibers, sein Blick gedankenvoll auf den feuchtglänzenden Worten. Nach längerer Weile, als es braucht, um auch die letzte Nässe teurer Tinte zu trocknen, beugt der goldene Schopf sich über die Zeilen und bläst den Sand weg. Mit schroffer Geste rollt er das Schreiben ein und verstaut es mit ruhiger Beiläufigkeit in einer Schublade. Diese schließt er mit einem goldenen, kleinen Schlüssel von einem Band um seinen Hals, verborgen unter seinem Hemd. Ruppig löscht er die Kerze und sitzt nun in der dunklen, kargen Kammer.

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Fr 11. Dez 2009, 22:12

Dunkelheit hat alles Licht des Turmzimmers verschluckt. Die weißen Wände sind bespannt mit schwerem Samt, das bunte Glas der Fenster verborgen hinter dichtgewebtem Schwarz. Alle Spiegel, alle kostbaren Kleinode, sogar die stummen Kleiderpuppen sind verhüllt von nachtdunklem Gespinst. Wie reglose Motten aus unruhigen Träumen stehen sie da. Alleine das Zucken ungezählter Kerzenflammen, die aus schwarzen Stielen züngeln, bringt vermeintliches Leben und trügerische Bewegung in das Gemach. Auf dem leeren und blankpolierten Schreibtisch liegt ein einsames Pergament. Die unsteten Kerzenlichter erhellen die energische Schrift...

Dies ist der letzte Wille des Terathil Sonnenpfeil, Magister des Sonnenzornturmes zu Silbermond. Mögen nach mir strahlende Tage kommen. Hiermit verfüge ich über den Verbleib meiner Barschaft, der Edelsteinsammlung, der Zauberbibliothek, der Artefakte, der Anwesen und Ländereien.

Sterbe ich vor meinem Weibe Anvireen, so vermache ich ihr die Edelsteinsammlung sowie eine jährliche Zuwendung von eintausend Goldmünzen, bis an das Ende ihres Lebens. War unsere Vermählung nur ein Missgeschick, so war sie mir stets ein sorgsames Weib. Am Ende vergebe ich ihr vermutlich, dass sie ihre niedere Laufbahn bei den Waldläufern nicht mir und ihrer neuen Stellung zuliebe aufgab. Wenn ich sie auch nicht liebte, so schätzte ich sie all die gemeinsamen Jahre hinweg als gute und bedachte Gemahlin.
Als Haupterbin geht mein Besitz an meine Tochter Alethiriel. Sie ist der Stolz meines Herzens und die Zierde meines Hauses. In ihr sehe ich die ruhmreiche Zukunft unseres Namens. Möge ihr wacher Geist und ihre herrliche Schönheit auf immerdar vom Glanz unserer Familie künden. Sie erhält bis zu ihrer Heirat volles Wohnrecht sowie die Verwaltung über die Anwesen und Ländereien. Ebenso ist ihr eine jährliche Zuwendung von fünftausend Goldmünzen auszuhändigen. Heiratet sie vor ihrem zweihundertsten Geburtstag ein hochgeborenes Mitglied des thalassischen Adels, so fällt all unser Besitz ohne Beschränkung an sie. Möge sie unseren Namen einführen in die Hallen der hohen Herrscher.
An meinen Sohn Falanthril geht bis zehn Jahre nach meinem Tode eine jährliche Zuwendung von tausend Goldmünzen. Er war mir nur Enttäuschung und Dorn in meinem Fleische. Möge er sein kümmerliches Leben leben, wie es ihm beliebt. Es soll mich nach meinem Tode endgültig nicht mehr kümmern.

Im Vollbesitz meiner geistigen und magischen Kräfte ist dies mein letzter Wille, bezeugt und beglaubigt durch Unterschrift und Zaubersiegel durch Magister Inethven, Magister des Sonnenzornturmes.
Ruhm und Ehre dem Sonnenwanderer!
Ruhm und Ehre dem Sonnenbrunnen!
Ruhm und Ehre Quel'Thalas!


Ein leises Schluchzen erklingt. Am Rande des wohlgeordneten Bettes sitzt die Elfe, das goldene Haar in strengem Knoten, der Leib gehüllt in unerbittliche Schwärze. Ihre schlanken Finger vor das Gesicht geschlagen sitzt sie aufrecht da, lässt dem leisen Weinen und dem Beben ihres Körpers freien Lauf. Auf ihrer Schulter liegt eine Hand, fest, warm und sicher. Neben ihr steht der Elf, dessen Antlitz sie teilt. Auch er trägt schwarzen Flor, das Haar zum Zopf gezähmt. In seiner Miene ist Ruhe, in seinem Blick Härte. Aufrecht steht er schweigend und ohne Regung neben ihr, während die Stunden vergehen.

Lel

Re: Gesammelte Briefe

Beitrag Fr 25. Dez 2009, 13:27

Tiefschwarz hängt die Nacht über den Bergen, tausendfach durchstochen von klaren Sternen. Zwischen ihnen windet sich der schillernde Vorhang aus dem schwebenden Nordlicht, in dessen buntem Glanz die Ahnen wohnen und auf die Erde hinabblicken. Heute sehen sie hinab in das kleine Lager am Fuße der Berge, dort wo die Bäume weniger werden und der Boden frostig weiß. Viele Jahresläufe, so unzählige wie die Fellhaare eines Schaufelhauers, war die Handvoll Hütten an den niederen Hängen des Gjalerhorn Heimstatt der Winterhufe gewesen. Das große Feuer in der Mitte des Lagers brennt in dieser Nacht wohl zum letzten Male. Dicht gedrängt sitzen die massigen Gestalten der Taunka um die hoch züngelnden Flammen. Rote und schwarze Augen glänzen in ihrem Schein, Nüsterpaare schicken Atemdampf wie Wünsche zu den Sternen hinauf. Zum letzten Male werden heute die Geschichten des Tages erzählt, einmal noch spricht Großmutter Ankha mit den Geistern des Feuers und der Luft, des Schnees und der Berge denn morgen verlassen die Winterhufe ihre Heimat und ziehen gen Norden.

So sitzen sie also, umringt von eingepacktem Taunkaleben, das verschnürt und aufgebockt auf fellbespannten Zugtragen wartet. Sie wärmen die Pranken an der Feuerhitze und lauschen einem der Ihren, dem Helden, der heute von seiner gefährlichen Aufgabe mitten im Dorf der Winterskorn zurückkehrte. „Ich sage euch, Brüder und Schwestern der Schneeberge, ich habe grausame Dinge gesehen unter den alten Menschenriesen, die sich Vrykul nennen. Aber nichts in all der Zeit, die ich mich im Dorf verbarg, nicht die schaurigen Blutrituale, nicht ihre heulenden Gesänge an den Totengott, nicht das Kreischen der Geisterfrauen, die aus dem Himmel stoßen, wenn die Vrykul sterben – nichts von alledem war so grausig anzusehen wie der blutbespritzte Elfling, mit dem ich heute Seite an Seite kämpfte. Das kleine Wesen schien mir erst so zerbrechlich, wie ein Eiskristall in meiner Pranke. Doch die Art, wie er mit meiner Machete die Leiber der Feinde zerteilte, so kalt und harsch wie Eis die Felsen spaltet...ich sage euch, Winterhufe, es war ein schauriger Anblick. Viele Winter habe ich gesehen, sogar einige Sommer und immer war ich Krieger. Aber ich bin froh, wenn ich in diesem Leben nie wieder einen Blick wie von diesem Elfling sehen muss. Diese Augen, die die ganze Welt verschlingen möchten, von den Bergen bis zum Meer, die das Ahnenlicht am Himmel löschen wollen und alle Lebensfeuer im Walde ersticken. Immer werde ich mich an den Elfling erinnern, der selbst zur Klinge wurde, seine Augen Pfeilpitzen waren und sein Knurren bloße Todesgier. Seine Schwester Katze jagte mit ihm und beiden troff das Blut von den Lefzen.“

Der Taunka-Krieger hält inne und seine Pranken fördern ein Stück Pergament zutage, abgerissen und schmutzig. Er reicht es weiter, durch den Kreis seines Stammes. „Das hat er Elfling verloren, als wir die Winterskorn einen nach dem anderen fällten. Dann verschwand er zwischen den Bäumen, geduckt wie ein Winterwolf und die Augen bereits im Geiste wieder bei neuer Beute...mögen die Ahnen seinen Zorn lindern.“ Das Pergament wandert unter neugierigen Blicken in Großmutter Ankhas Pranken. Ihre weisen Augen legen sich auf unbekannte Schrift, Bruchstücke eines Briefes...

....tut mir so unendlich leid....Briefe gefunden...Geheimfach im alten Schreibzimmer...eindeutig Vaters Handschrift...wen, weiß ich nicht...Befehle....solle Valathiel beseitigen....ihre niederen Geburt....Schande auf unserem Namen.....nicht zulassen....Sohn mit ihr einlässt...fünfhundert Goldmünzen...komm nach Hause...keinen Unsinn...trösten...Liebe, Aleth...

Die Großmutter führt das Pergament an die Nüstern, schnuppert daran. Dann erhebt sie sich und beginnt, einen leisen Ruf an die Geister des Windes zu singen. Sie wirft den Brieffetzen in die züngelnden Flammen, wo er in golden leuchtenden Staub vergeht und von ihrer Stimme in die Nachtluft getragen wird, hinauf zu den Sternen. Leise fällt der Stamm in ihren Gesang ein und das geisterhafte Lied hallt von den Hängen des Gjalerhornes hinab durch den Fjord.

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