Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

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Kadosma akwbi
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Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Fr 19. Dez 2008, 01:13

Dieser Überblick ist sehr bruchstückhaft und soll einfach wichtige Stichwörter nennen. Bitte ergänzt ihn - ich bin nicht vom Fach und hab mir das auch erstmal nur zusammengesucht. Ihr könnt gerne direkt hier rein editieren.
Exakte Zahlen lass ich fast ganz raus, das ist für unsere Zwecke unnötiger Wissensballast, denke ich. Zusammenhänge sind wichtiger.

Dies ist jetzt England, wie es war - bei uns wird einiges wohl ganz anders werden. Plausibel sollte es aber sein - s. z.B. die Gilden.

Haupt-Charakteristika der Zeit
  • - Enthusiasmus über die technischen Neuerungen der Industrialisierung und Englands wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt, die allerdings mit der Depression 1973 bis 1895 verlorengeht.
    - Ausbeutung und weitere Verarmung der unteren Schicht (ca. 2/3 der Bevölkerung) -> Kinderarbeit, Auswanderung.
    - Verstädterung und Verarmung der Landbevölkerung.
    - weit verbreitetes Sendungsbewusstsein (in der Kolonialisierung und im religiösen Bereich, mehr unten)
Die großen politischen Parteien
  • - Tories (konservativ, enge Verbindungen zur anglikanischen Kirche)
    - Whigs (liberal, Handwerker)
    Eine Arbeiterpartei gibt es noch nicht (allerdings Gewerkschaften), die Arbeiter suchen Bündnisse mit den Liberalen.
Verfassung, Parlament
Parlamentarisch-demokratische Monarchie, die Krone besitzt allerdings wenig Einfluss.
  • - Oberhaus (Adel - wobei gegen Ende des Jahrhunderts auch der Geldadel schon in Einzelfällen Zugang zum Oberhaus erhielt)
    - Unterhaus (einfache Bürger, 1874 erstmals auch Arbeiter), gewinnt zunehmend an Macht
Gesellschaftsschichten
  • - Adel
    - bürgerliche Mittelschicht: erstreckt sich von Großindustriellen bis zu Kleinhändlern. Auch das immer größer werdende Dienstleistungswesen gehört hierher. Die Mittelschicht distanziert sich sowohl vom Adel und seinem ausschweifenden Leben als auch von der ungebildeten (und dann auch noch vielfach katholischen!) Unterschicht.
    - Unterschicht
Imperialismus, Kolonien
  • Blüht und gedeiht: http://de.wikipedia.org/wiki/Britische_Kolonien. Victoria ist Kaiserin von Indien, der wichtigsten Kolonie. Außer Indien erhalten in der viktorianischen Zeit die Kolonien das Recht auf eigene Verwaltung, unterstehen aber weiter der Krone.
Industrie
  • - Großindustrie, Eisenbahn, Kohle. Gefährliche Arbeitsbedingungen auf den Gleisen und in den Gruben.
    - Spezialisierte Arbeiter, Techniker und Handwerker leben oft deutlich besser und bilden eine eigene kleine "Oberschicht" in der Arbeiterschaft.
Gilden
Vielleicht eine unangenehme Botschaft, aber: Der freie Handel verdrängte die Gilden schon um 1800 ziemlich endgültig. Das hat seinen Grund.
Doppelter Zweck des Gildensystems war gewesen:
  • 1. Schutz der Mitglieder
    2. Monopolstellung durch Wahrung der Gildengeheimnisse.
Diese beiden Zwecke verteilen sich mit der Industrialisierung auf zwei Arten von Zusammenschlüssen:
  • 1. Schutz der Mitglieder bieten jetzt die Gewerkschaften, deren Hauptinteresse - unabhängig vom Beruf - die Wahrung akzeptabler Arbeitsbedingungen ist.
    2. Monopolstellung wird jetzt von Industriekonzernen angestrebt, und zwar nicht mehr durch Geheimniswahrung, sondern durch geschützte Offenlegung - das Patentsystem - und staatlich unterstützte Kartellbildung.
Natürlich könnte man das Gildensystem für die arkanen Bereiche beibehalten, also die Alchimisten, Analogiker usw. sowie religiöse Verbindungen, die weder in der Großindustrie angesiedelt sind noch staatliche Unterstützung suchen. Zum industriellen Bereich ist es aus der Sache heraus nicht kompatibel, wenn wir uns auch nur halbwegs an der tatsächlichen Geschichte orientieren wollen.

Presse, Kommunikation
  • - Abschaffung der Stempelsteuer -> Zeitungen sind seit 1861 für jeden bezahlbar und haben entsprechenden Einfluss. Zeitungsjungen prägen das Stadtbild. Informationen und Diskussionen über das Tagesgeschehen in allen Gesellschaftsschichten. (Buchliteratur dagegen bleibt für die Ärmeren oft unbezahlbar.)
    - Post, Telegraph.
Religion
  • - Missionierung an allen Ecken. Heilsarmee. Erbauliche Traktate und Weltuntergangsvisionen aller Art stehen hoch im Kurs.
    - Die Kirchen rivalisieren mit wissenschaftlichen Erklärungen der Phänomene (besonders Darwins Lehren).
Politika
  • - Wahlrecht für Arbeiter bzw. Männer ohne dauerhaften festen Wohnsitz
    - Frauenwahlrecht, Besitzrecht für Frauen. Frauenrechtlerinnen und -rechtler setzen sich für beides ein und haben auch einige Erfolge zu verzeichnen. Frauen können studieren, allerdings bekommen sie keinen Abschluss - außer seltsamerweise im Medizinstudium. Seit 1882 haben sie das volle Recht auf ihre eigenen Besitz.
    - Gesundheitsprobleme, bes. die Wasserversorgung, die erst langsam halbwegs hygienisch wurde - noch Mitte des Jahrhunderts gab es eine verheerende Choleraepidemie.
    Eine aufschlussreiche Episode in diesem Zusammenhang:
    Der idealistische Arzt Dr. John Snow kartographierte die Orte der Todesfälle - eine bahnbrechende Neuerung in der Epidemologie - und kam so dem Seuchenherd auf die Spur: einen durch Bakterien in Windel-Fäkalien verseuchten Brunnen in Soho. Da seine Kollegen ihn nicht ernst nahm, griff zur Selbsthilfe und brachte die örtlichen Behörden dazu, den Schwengel der Wasserpumpe des Brunnens zu entfernen, worauf die Epidemie schlagartig zurückging. Es war klar, dass er recht gehabt hatte, doch die Vorstellung von Fäkalien, die auch noch in den Mund gerieten, war nicht gesellschaftsfähig, und so schwieg man Dr. Snows Entdeckung tot. Er wurde erst nach seinem Tod rehabilitiert.
    (Ich setze das auch mal in erweiterter Form als Anregung in den Figuren-Thread.)
Stadtbild
  • - Mittelschicht zieht an den Stadtrand -> Pendlerwesen.
    - 1861 wurde die erste U-Bahn eröffnet, schneller Ausbau des Bahnnetzes, reger Verkehr.
    - Varietés, Pubs, Bars, Cafés.
    - teils noch sehr schlechte hygienische Bedingungen, s. voriger Punkt.
"Viktorianische Moral"
  • - Das Ideal der ehrbaren Frau war das reine Wesen, das das Haus versah, sich um viele Kinder kümmerte und dem Mann, der zum größten Teil in seiner eigenen Welt lebte, den Rücken frei hielt.
    - Männer wollten sich oft zunächst finanzielle Sicherheit schaffen, bevor sie heirateten -> florierendes Prostitutionswesen und, da man über solche Dinge nicht sprach, entsprechend weite Verbreitung von Geschlechtskrankheiten.
Sport
  • Rugby, Fußball, Cricket, Golf. Auf manche Dinge ist Verlass.
Musik
  • Gilbert & Sullivans lustige Opern :)
Literatur
  • Breitgefächert. Ich nenne mal: R.L. Stevenson, Oscar Wilde, Thomas Hardy, Joseph Conrad (das ist der mit Heart of Darkness, der Vorlage zu Apocalypse Now), Lewis Carrol, W.B. Yeats, A. Tennyson, E. Barrett Browning, Matthew Arnold, G.B. Shaw.
Bildende Kunst
  • Vielleicht kann man was aus den Präraffaeliten machen, die die zeitgenössischen französischen Impressionisten milde belächelten... gäbe sicher ein schönes Stückchen Hintergrund :)
Abenteuer. Hah. Große Erlebnisse. Pah. Nach solchen Dingen verlangt es einen Hobbit nicht.

Toxyna

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Fr 19. Dez 2008, 01:28

Danke, das ist schonmal sehr aufschlußreich.

Kodema

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 08:04

Danke für das Sammeln unf aufbereiten. Das gibt einen schönen Überblick.

Zu den Gilden: ich weiß nicht, was dagegen sprechen würde sie generell beizubehalten. Dafür gibts allerdings keine Gewerkschaften.
Ein Konzern kann nur dann groß werden, wenn er in der Gilde ist. So ist auch dafür gesorgt, daß man Verschwörungen etc aufrecht erhalten kann, denn wenn man die Gilde beeinflussen kann/führt hat der eigene Konzern die Chance aufs Monopol, das allerdings offiziel die Gilde inne hat.....

Also ich denke das lässt sich so umlegen. Auch um eben diese kleinen Unterschiede zum relaen London beizubehalten. :)
I´d rather be on Islay!

Wulf

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 10:27

Ich fände eher interessant neben den neu aufstrebenden Konzernen und den Gewerkschaften, die sich vormieren um die einfachen Arbeiter zu verteidigen den Todeskampf der grossen Handelsgilden nach hier (hzinten auf dem Zeitstrang) zu ziehen.
Dann hätten wir das reaale Abbild und mit den verzeifelt gegen den Untergang kämpfenden Gilden und der Hanse einen weiteren politischen Faktor für RP-Konflikte.
Harleking & Dramaqueen.

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Kadosma akwbi
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Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 10:48

Kann man natürlich machen, nur wird das dann ein ziemlich anderer Hintergrund. Oder aber die Gilden hätten - realistischerweise - einfach nicht mehr den Einfluss wie zu ihrer Blütezeit.

Was wären die Vorteile dabei, die Gilden im alten Sinne beizubehalten? Mir fällt da bisher nur ein:
  • - Erwartungen bedienen: Es gibt sicher genug Leute, für die Gilden nun mal zu einem RPG dazugehören. Ich muss gestehen, ich gehöre nicht dazu.
    - Mittelalter-Touch (brauche ich persönlich für unser Spiel nicht)
Nachteile wären:
  • - Es würde für uns schwieriger. Wenn wir mit Gilden hantieren, beschreiben wir auf der Ebene des Handels eine ganz andere Art von Gesellschaft. Dadurch müssten wir höllisch aufpassen, denn es soll ja doch zugleich immer noch die viktorianische Zeit sein, oder? Der Handel greift in viele andere Bereiche ein, und wir müssten das alles anpassen.
    - Personen, Hintergründe etc., die wir einbauen könnten, um die Zeit "wiedererkennbar" zu machen, würden wegfallen - Beispiel Intrigen um Patente.
    - Wenn alle Konzerne in der Gilde sein müssen, sind Konzerne nicht mehr das, was sie sind. Die Marktwirtschaft - und wir beschreiben ja die Epoche, in der genau die sich Hand in Hand mit der Industrialisierung rasant entwickelt - lebt von Konkurrenz und ist nicht dran interessiert, sich innerhalb einer Gilde mit ihr abzusprechen, es sei denn zur Kartellbildung. Die Gilden wären allenfalls so etwas wie eine Aufsichtsbehörde über den jeweiligen Wirtschaftszweig, ein Unter-Kartellamt oder sowas - aber ich kann mir keine geschichtliche Entwicklung vorstellen, die von einer Gilde dorthin geführt hätte. Die Kartellaufsichtsbehörden haben einen anderen Ursprung. Aber vielleicht hast du da ja eine Idee.
Für arkane Gesellschaften könnte es noch Gilden geben, als Überbleibsel aus älteren Zeiten - denn für die arkanen Verbindungen ist es ja durch nichts neues ersetzt worden, weil sie keine Konzerne und Gewerkschaften gegründet haben. Ihre Leistungen eignen sich ja nicht so für den freien Markt im großen Stil, zudem ziehen sie es wahrscheinlich vor, auch weiter eher im Verborgenen zu arbeiten.

Um Stoff für Verschwörungen muss man sich keine Sorgen machen, denke ich. Du versuchst halt dann nicht, eine Gildenführung zu beeinflussen, sondern das Kartellamt, oder einen einflussreichen Politiker, oder jemanden beim Patentamt zu bestechen, oder oder oder... - ich glaube, da sollen wir einfach unseren bewährten niederen Trieben folgen.

Also: ich bin klar dagegen, der Zeit ein Gildenwesen draufzupfropfen, einfach damit es Gilden gibt. Wenn aber jemand gute Gründe nennen kann, warum es sie geben sollte, und plausibel erklären kann, wie es kommt, dass sie noch da sind und an diesem einflussreichen Platz in der Marktwirtschaft, lass ich mich gern überzeugen.

Edit: Wulf: das könnte eher passen. Die Gilden wären also schon relativ machtlose Überbleibsel aus der alten Zeit, die von der wirtschaftlichen Entwicklung überrollt wurden und die letzte Phase des eigenen Untergangs mitansehen müssen.
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Kodema

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 11:14

gute und durchaus überzeugenden Argumente :)

Ich gestehe keine Ahnung von Marktwirtschaft oder dgl. zu haben und habe einfach mal aus dem Bauch raus mein oberes Posting verfasst. Eine beschränkung der gilden auf den arkanen Zweig reicht völlig aus, ich dachte mir nur eben, daß wir die Welt einen Tick anders machen als sie war, aber das machen wir ohnehin auf anderen gebieten ;)
I´d rather be on Islay!

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Kadosma akwbi
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Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 14:56

Ich hab auch keine Ahnung von Marktwirtschaft, aber hab mir mal von Wikipedia und Ähnlichem die ganz groben Zusammenhänge erklären lassen ;)

Nicht falsch verstehen, ich will gar nicht sklavisch an einem bestimmten Hintergrund festkleben, es lebe das Paralleluniversum :) Mir reicht's, wenn es irgendwie in sich plausibel ist. Vor allem aber würde aus einem dramaturgischen Grund vordergründig nicht ZU viel anders machen, von dem hatten wir es ja schon mal kurz:

Wenn die Umwelt bekannt, vertraut und (scheinbar) berechenbar ist, dann wirkt das "Fremde" einfach viel stärker und auch bedrohlicher. Der Extremfall wäre: wir machen alles beliebig, viktorianisches Zeugs buntdurchzogen von Turnieren, Minnesängern, Gilden, Drachen, Orks, Elfen und Hobbits, Südsee-Menschenfressern, Vampirdämonen, Tempelrittern, Krokodilen und als Bonbon noch ein paar Raumschiffen. Da wäre einfach gar nichts mehr überraschend und die Wirkung des Fremdartigen wäre gleich Null. (Wobei das auch ziemlich witzig sein könnte, aber es wäre glaube ich nicht ein Universum, wie es uns vorschwebt ;)

Einfach schon darum denke ich, dass es klug wäre, Abweichungen gut zu dosieren und sie nur da zu setzen, wo es einen guten Grund dafür gibt.
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Kodema

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 14:59

unterschreibe ich vorbehaltlos :D
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Wulf

Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 21:22

Ich glaube du hattest mich falsch verstanden, Katie.

Ich rede nicht von großen, einflussreichen Handwerkergilden sondern von den traurigen Überresten eben dieser, meist nurnoch wenige Familien, und zwar die, di eh seit jeher die Leitungen der Gilden von Generation zu generation eitergegeben hatte und daher jetzt nicht damit klarkommen das sie nurnoch "einfache" Handwerker sein sollen. Weswegen sie verzweifelt versuchen die letzten Reste ihrer Macht zusammen zu halten und irgendwie wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.

Aber mein Herzblut liegt daran nicht.
Ich hätte es als stimmungevolle, weitere PArtei gesehen aber wenn ihr dagegen seit soll es mir auch Recht sein. :)
Harleking & Dramaqueen.

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Kadosma akwbi
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Re: Allgemeine Hintergrund-Infos zur Epoche

Beitrag Mo 22. Dez 2008, 22:44

Hm, genau so hatte ich das auch verstanden, dachte ich zumindest, darum schrieb ich:
Edit: Wulf: das könnte eher passen. Die Gilden wären also schon relativ machtlose Überbleibsel aus der alten Zeit, die von der wirtschaftlichen Entwicklung überrollt wurden und die letzte Phase des eigenen Untergangs mitansehen müssen.
Aber das ist doch nicht so ganz, was du meintest? Hilf mir auf die Sprünge :)
Abenteuer. Hah. Große Erlebnisse. Pah. Nach solchen Dingen verlangt es einen Hobbit nicht.

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